In den Bänden II und III von Gustav Schwabs Die Sagen des klassischen Altertums entfaltet sich das dramatische Panorama der griechischen und römischen Mythen in vollendeter literarischer Harmonie. Während Band II sich dem Trojanischen Krieg – von seinen Wurzeln über Belagerung bis zum Untergang Trojas – widmet, führt Band III die Erzählung weiter zu den Schicksalen der Atriden, den Irrfahrten des Odysseus und schließlich zur Sage von Aeneas. Schwab greift auf Quellen wie Homer, Tragiker und spätere Nachdichter zurück, kürzt wohl überlegte Stellen und übersetzt zugleich mit seinem eigenen poetischen Gespür.
Was diese beiden Bände besonders macht, ist Schwabs Fähigkeit, ein ambitioniertes mythologisches Gewebe zu weben, ohne den Leser in archaische Schwerfälligkeit zu verlieren. Gewalt und Tragik erscheinen nie effektheischend, sondern als unvermeidbare Kräfte in menschlichen Schicksalen. Auch die göttliche Sphäre – sei es Fortuna, Juno oder Athena – ist stets präsent, aber niemals gnadenlos übermächtig, sondern eingebettet in das menschliche Handeln. Schwab bewahrt dabei die nüchterne Klarheit seiner Nacherzählungen, während er zugleich Tiefe und Spannung erzeugt.
Für heutige Leser liegt darin der Reiz: Man begegnet einem Klassiker der Kinder- und Jugendliteratur, der über seine ursprüngliche Zielgruppe hinausweist – ein Werk, das die antiken Sagen nicht bloß vermittelt, sondern dichterisch neu belebt. Joachim Kaiser nannte Schwabs Werk gar „das einzige deutschsprachige Standardwerk zur griechischen Mythologie“ – eine Einschätzung, die gerade bei Band II & III seine Berechtigung zeigt. |