In „Was wird aus Lori“ entwirft Hedwig Courths-Mahler ein zartes Gewebe aus Pflicht, Schuld und heimlicher Liebe, in dessen Mittelpunkt die junge Lori steht – ein Waisenmädchen, das zwischen den Fäden der Vergangenheit und den Hoffnungen ihrer Zukunft zerrieben wird.
Lori lebt bislang bei einer alten Dame, deren Tod sie unvermittelt in eine neue Lebenslage führt. Sie fasst den Entschluss, zum Lindenhof zu ziehen, in das Landgut ihres Vormunds Heinz Rommersdorf – doch damit betritt sie ein Terrain, in dem Erinnerung und Schuld in jeder Begegnung mitschwingen. Heinz trägt ein verborgenes Gewicht: unbewusst ist er in das tragische Schicksal ihrer Eltern involviert – eine Schuld, die ihn innerlich trennt von Lori, auch wenn zarte Gefühle in ihm erwachen.
Courths-Mahler erzählt mit jener bewährten Mischung aus Romanticismus und moralischer Spannung, die ihr literarisches Markenzeichen ist – sozial benachteiligte Figuren, die Standesunterschiede überwinden sollen, Intrigen und Konflikte, bis schließlich die Liebe den Weg weist. Doch in diesem Fall liegt der Konflikt tiefer: nicht nur gesellschaftliche Schranken müssen überwunden werden, sondern auch das Schweigen der Vergangenheit. Lori selbst ist sich der Schuld, die ihr Vormund auf sich geladen hat, nicht bewusst – ihr Unbefangenheit wirkt wie ein sanfter Spiegel für Heinz’ innere Zerreißprobe.
Stärken dieses Romans liegen in der fein gesponnenen psychologischen Spannung und in der Emotionalität der Figuren: besonders Heinz’ inneres Ringen zwischen Pflicht und Verlangen, Schuld und Hoffnung wirkt authentisch. Dass Lori als unschuldige, klare Stimme dabei fungiert, verleiht der Erzählung Leichtigkeit – ohne die Tragik zu verlieren. Dennoch ist das Werk typisch für Courths-Mahlers Formeln: kaum ein Bruch mit den konventionellen Geschlechterrollen und selten radikale Emanzipation. Gerade darin liegt sein nostalgischer Reiz – und auch seine Begrenzung.
Für die Leserinnen und Leser von Liebesromanen mit moralischem Kern ist „Was wird aus Lori“ eine gekonnte Balance zwischen Gefühl und Zwiespalt – ein klassisches Sujet, das bis heute berührt.
Editor: Hans-Jürgen Horn |