Die Einbildungskrankheit - Eine Geschichte unserer Tage (Münster 1867).
Aus dem Buch: "Inmitten einer unabsehbaren Haide, die längs der nördlichen Grenze unserer Provinz Limburg, wie der Boden eines ausgetrockneten Sees, viele Meilen weit ununterbrochen fortläuft, liegt ein altes und dunkles Gehölz.
Wahrscheinlich hat hier in den früheren Jahrhunderten ein ausgedehnter Sumpf gestanden; denn es wachsen dort weder Tannen noch Fichten: die Eiche, Weide, Pappel, Erle und andere breitblättrige Bäume wuchern dagegen mit ihren Wurzeln in der fetten, trocknen Erde.
So tief liegt der Grund dieses Gehölzes, daß der Reisende, welcher über die Haide zieht, aus der Ferne kaum die Spitzen der Bäume, wie einen dunklen Fleck in der Sandwüste bemerkt. Wenn er, abgemattet und durch das Gefühl der langen Einsamkeit schwermüthig geworden, dem Rande der Tiefe sich nähert, erfreut ihn der Anblick des schattigen Landes nicht; er bleibt im Gegentheil überrascht und zögernd stehen. Dieses undurchdringliche grüne Dickicht, die vollständige Stille, die dort herrscht, die kalte feuchte Luft, die ihm entgegen weht, — dies Alles läßt ihn von einer noch größeren Einsamkeit, von etwas ganz Isoliertem, von etwas Geheimnißvollem träumen; — und er schlägt, mag er sich vor Unholden oder unbestimmten Gefahren fürchten, nicht ohne Besorgniß den einzigen Weg ein, der zwischen dem dunklen und stillen Gebüsche sich hinzieht.
In dem tiefsten Dickicht dieses Gehölzes lag das Schloß Wildenborg."
Editor: Hans-Jürgen Horn |