Der Heilige Hubertus – Der Jäger, der den Hirsch sah
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 - Kategorie: Zulu Magazin
 - Veröffentlicht: Montag, 03. November 2025
 
  Der November riecht nach feuchtem Laub und kalter Erde. Zwischen Nebel und frühem Dämmerlicht liegt eine Stille, die wie ein Atemzug der Natur wirkt. An diesem Übergang beginnt der Hubertustag – ein Moment, der Tradition und Mythos verbindet.Hubertus von Lüttich, einst Adliger und leidenschaftlicher Jäger, steht am Anfang dieser Legende. Die Überlieferung erzählt, dass er an einem Karfreitag – während andere in der Kirche beteten – den Hirsch suchte. Plötzlich trat das Tier aus dem Schatten.
Zwischen seinem Geweih leuchtete ein Kreuz, und eine Stimme sprach:
„Hubertus, warum jagst du mich? Siehst du nicht, dass du den Herrn verfolgst?“
Der Jäger fiel nieder, und aus der Jagd wurde Einkehr. Hubertus verzichtete auf Reichtum und Ruhm, ließ sich taufen, folgte dem heiligen Lambertus und wurde später Bischof von Lüttich. Aus dem Verfolger wurde ein Hirte, aus der Leidenschaft eine Lehre: Wer das Heilige erkennt, muss sein Ziel verändern.
Die „Hirschlegende“ ist mehr als eine fromme Geschichte. Sie ist eine Chiffre für das Verhältnis des Menschen zur Natur – für das Staunen, das Demut gebiert. Das Kreuz im Geweih steht nicht nur für Glauben, sondern für Erkenntnis: dass die Schöpfung selbst ein Spiegel des Göttlichen ist.
Diese Idee hallt auch in der Literatur des 19. Jahrhunderts nach. In Friedrich Gerstäckers alpiner Erzählung Eine Gemsjagd in Tyrol wird die Jagd zur Bewährungsprobe – ein Kampf gegen Höhe, Kälte und Gewissen. Gerstäckers Jäger sucht nicht mehr nur die Beute, sondern das Maß. In der Einsamkeit der Berge entdeckt er jene Stille, die auch Hubertus gefunden hatte: eine Stille, die verwandelt.
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Ein ähnlicher Ton klingt bei Peter Rosegger, dem Chronisten der Waldheimat. Seine Erzählungen atmen die Ehrfurcht vor dem Land, das ihn ernährte. Der Wald ist kein Ort des Jagens, sondern ein Raum des Hörens. In ihm wird die Arbeit zum Gebet, das Wild zum Mitgeschöpf, das Leben zur Andacht.
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So begegnen sich Legende und Literatur über die Jahrhunderte hinweg. Der Heilige Hubertus und die Schriftsteller nach ihm erzählen von demselben Blick – dem Moment, in dem der Mensch innehält, weil er erkennt, dass das Leben mehr ist als Beute. Vielleicht leuchtet noch heute, wenn irgendwo ein Horn über den Wald ruft, ein kleines Kreuz im Geweih der Welt.
 
 Friedrich Gerstäcker
  Deutsch
 
 03.11.2025
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