|   Mit feiner Ironie und scharfem Witz entfaltet Oscar Wilde in seiner Sammlung Lord Arthur Saviles Verbrechen und andere Geschichten (1887) ein Kaleidoskop menschlicher Eitelkeiten, Abgründe und Absurditäten. Die Titelerzählung – Lord Arthur Saviles Verbrechen – Eine Studie über die Pflicht – ist eine bitter-komische Parabel über das viktorianische Pflichtbewusstsein: Ein junger Aristokrat begeht einen Mord, weil ihm ein Chiromant prophezeit hat, er müsse eines Tages ein Verbrechen verüben. Getrieben vom Wunsch, seine „moralische Schuld“ vorwegzunehmen, stürzt er sich in einen absurden Akt der Selbstgerechtigkeit.
 Die weiteren Erzählungen – Die Sphinx ohne Geheimnis, Der Modellmillionär und Philosophische Leitsätze zum Gebrauch für die Jugend – spiegeln Wildes ganze Bandbreite: hintergründiger Humor, ästhetische Raffinesse und eine feine Melancholie, die in jeder Pointe nachklingt. Es sind Geschichten über Schein und Sein, über Tugend und Täuschung, über Menschen, die glauben, dem Schicksal ins Auge zu sehen – und sich doch nur im Spiegel ihrer eigenen Torheit erkennen.
 
 Wilde verbindet in diesen Texten die Eleganz des Dandys mit der Schärfe des Satirikers. Er zeigt eine Welt, in der Moral und Manieren ein tödlich schönes Spiel treiben. Und er lädt seine Leser ein, hinter die glänzende Fassade zu blicken – dorthin, wo Wahrheit und Lüge sich im Lächeln des Ästheten berühren.
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