1815 nahm Alexis als Freiwilliger an den Befreiungskriegen teil; als Mitglied des Regiments Kolberg belagerte er einige Ardennen-Festungen und berichtet von diesen Ereignissen in "Als Kriegsfreiwilliger nach Frankreich."
G.Häring, 16 Jahre alt, will um jeden Preis Deutschland befreien. Er verläßt die Schule, zieht mit einem Heer gleichgesinnter von Berlin nach Nordfrankreich, alles zu Fuß mit Soldatengepäck auf dem Buckel. Ein Feldzug voller Entbehrungen, Strapazen, Demütigungen. Und das Wetter so? - Ziemlich bes***. Der Anmarsch im Frühsommer zeichnete sich noch durch gewittrige, schwer erträgliche Hitze aus, aber später dann das vollkommene Regendesaster. Kein Dach über dem Kopf, die Kleidung vollgesogen wie ein Schwamm, nichts Warmes zu essen. Gelohnt hat sich die ganze Quälerei auch nicht: am Ziel angekommen sind die entscheidenden Schlachten bereits siegreich vollbracht. Waterloo und so, der Einsatz beschränkt sich bloß noch auf die Belagerung einiger resistenter Festungen. Französische Garnisonen, die sich aus Sorge um ihren Nachruhm in Ergebniskosmetik versuchen.
Das Buch ist natürlich besonders interessant für historisch Interessierte. Es liest sich insgesamt recht angenehm, sofern man den zeitentsprechenden Schreibstil mag. - Der längst erwachsene Autor beschreibt im Rückblick anhand ausführlicher Tagebuchaufzeichnungen seine Erlebnisse. So bleibt eine gewisse Authentizität gewahrt, gepaart mit Altersmilde. Der Leser wird so in jene Zeit und Stimmung hineinversetzt, die der heutigen ach so fern liegt - und doch den Grund und Boden bilden für unsere Befindlichkeit. Nation-building, Begeisterung fürs Vaterland: das war eine ganz neue Erfindung, die nach 1813 - dem Sieg 'der Völker' über unterdrückerische napoleonische Armeen - ein Feuer in den jungen Köpfen entfachte. Die Idee der Einheit aller Deutschen bedeutete mentale Befreiung von Kleinst-Staaterei und Fürstenwillkür. Und diese berauschende Vorstellung schien bereits kurze Zeit nach der Vertreibung der Usurpatoren wieder in Gefahr, wo die Siegermächte in Wien mit dem unterlegenen Frankreich kungelten, und in erster Linie an der Wiederherstellung der alten, morschen Verhältnisse arbeiteten. Überdies der auferstandene Bonaparte erneut mit ernstzunehmenden Truppen den Rachefeldzug organisierte.
W.Alexis, der in seiner Jugend noch G.Häring hieß, beschreibt seinen jugendlichen Enthusiasmus mit spürbarer Distanz. Der frühere übersteigerte Franzosenhass wird mit dem wahren Leben konfrontiert. Die meisten Kontakte mit der dortigen Bevölkerung, z.B. anlässlich von Einquartierungen, gestalten sich durchaus angenehm - beinah Schritte zur Völkerverständigung. Dagegen kritisiert er voller Widerwillen das ganze Arsenal der hirnrissigen militärischen Torturen, denen er und seine 'freiwilligen' Kriegskameraden ausgeliefert sind. Erkennt er doch darin bereits das Werk der Restauration, die bemüht ist, den kampfesmutigen Streitern für ein freies und einiges Deutschland ihre Grenzen aufzuzeigen.
So erhält er also seine Lektion fürs Leben, auch wenn die ganze Aktion in ziemlichem Frust endet. Uns Nachgeborenen hat der Dichter allerdings Einiges zu bieten. Angefangen mit dem unwiderstehlichen Reiz, die mühselige Wanderung des 'Kindersoldaten' auf der Karte nachzuvollziehen, und seine Bemerkungen zu Land, Leuten und Ortschaften aufzunehmen, die einen schier unvorstellbaren Gegensatz zu heutigen Verhältnissen darstellen. Keine Straßen, keine Transportmittel, keine Hygiene. Gegensätze von arm und wohlhabend; absolute Bildungsferne, biedere Bodenständigkeit. Bemerkenswert insbesondere, welch unmenschliche Anstrengungen idealistisch gesonnene Jugendliche seinerzeit auszuhalten fähig waren: bei andauerndem Mangel an Schlaf, Nahrung und Wasser; ausgesetzt krassen Witterungsunbilden und menschlichen Schikanen. Dennoch ein wacher Blick für die reizvollen Gegenden der Ardennen und des Maas-Tales. Camus hatte wohl Recht; man muss sich Sysiphos als einen glücklichen Menschen vorstellen .. |