Wilkie Collins’ erster Roman Antonina; or, The Fall of Rome (deutsch meist Antonia genannt) führt in das Jahr 410 n. Chr., in die Zeit des Untergangs des Weströmischen Reiches. Der junge Autor, kaum dreißig Jahre alt, wagt darin den großen historischen Entwurf: eine Liebesgeschichte im Schatten der Völkerwanderung, getragen von der Spannung zwischen christlicher Innerlichkeit und heidnischer Weltmacht.
Collins’ Sprache ist üppig, stellenweise pathetisch, noch nicht die geschliffene Prosa seiner späteren Sensationsromane. Und doch schimmern bereits jene Themen auf, die ihn berühmt machen sollten: das Spiel von Schein und Wahrheit, das Schicksal des weiblichen Opfers, der moralische Konflikt inmitten gesellschaftlicher Umbrüche. Antonia zeigt die Geburt des späteren Stilisten – tastend, suchend, mit ehrlichem Ernst.
Als Historienroman bleibt das Werk hinter den großen Vorbildern Scotts oder Bulwers zurück, doch besitzt es einen besonderen Reiz: Collins’ Versuch, Geschichte emotional zu durchdringen, verleiht dem Untergang Roms eine intime, beinahe moderne Dimension. So ist Antonia weniger ein Geschichtsgemälde als ein Lehrstück über Menschlichkeit in Zeiten des Verfalls.
Fazit: Ein unreifer, aber faszinierender Beginn – das Dokument eines Schriftstellers auf dem Weg zu sich selbst, zwischen Historie, Gefühl und Vision.
Überarbeitete Version November 2020 (Erstversion Jänner 2020)
Übersetzer: Verlag Christian Ernst Kollmann, 1850
Editor: Hans-Jürgen Horn |