Das große Malefizbuch soll, wie sein altfränkischer Name schon errathen läßt, Verbrechergeschichten aus früherer Zeit enthalten. Was wir unter dem Namen von »Criminalacten« zu begreifen pflegen, nannten unsere Vorfahren in vielen Gegenden »Malefizbücher«; Aufzeichnungen, welche theilweise auch der Scharfrichter besorgte, der in seiner Eigenschaft als Folterer in peinlichen Untersuchungen vielfach betheiligt war.
Der Grundgedanke des Buches wird sich zum Voraus ziemlich klar bestimmen lassen, wenn der Leser bemerken will, daß der Verfasser ein Dichter ist, kein Gelehrter. Ich suche meinen Stoff vom rein menschlichen Standpunkt aufzufassen und dichterisch zu verarbeiten; die Wahrheit, welche nach meinem Streben sich darin wiederspiegeln soll, ist nicht wissenschaftlich begründet. Die Darstellung, bemüht Menschen und Zustände vorzuführen, wie sie einst gewesen sein mögen, hält sich nicht in den Schranken der urkundlichen Belege; das Malefizbuch ist also, wenn ihr wollt: ein dichterischer Pitaval, hervorgegangen aus jener Schule, welche Gott für den ersten Dichter, das Leben für die größte und schönste Dichtung hält.
Die einzelnen Theile sind ihrem Inhalt nach unabhängig von einander; für alle jedoch stellt der erste eine Art von Einleitung vor.
Der Scharfrichter von heutzutag ist ein Bürger wie jeder andre, Wähler und wählbar; wenn er Vermögen genug besitzt, kann er Abgeordneter zur zweiten Kammer werden, und etwa die Todesstrafe abschaffen helfen. Die Gestalt des Freimanns von ehedem ist bereits zur Sage verdämmert; der Dichter thut also nicht übel, wenn er das Bild mit seinen geheimnißvollen Schauern noch einmal, gleichsam zum Abschied, in allen wesentlichen Beziehungen zusammenfaßt, um es als Andenken aufzubewahren. Dies ist im Hämmerling versucht worden.
Mit den drei Bändchen des Malefizbuches, welche hier der Lesewelt übergeben werden, ist mein Vorrath an solchem Stoff bei weitem nicht erschöpft; von der Aufnahme, die sie finden, wird es abhängen, ob sich ihnen in späterer Zeit noch eine weitere Reihenfolge anschließen soll.
Übersetzer: J. F, Rietsch, 1847
Editor: Hans-Jürgen Horn |