Wilkie Collins’ Kurzgeschichte Der Polizist und die Köchin (Originaltitel The Policeman & The Cook / Who Killed Zebedee?) entfaltet in konzentrierter Form zentrale Motive seiner kriminalistischen und sensationellen Erzählweise. Der Sterbebett-Rahmen, in dem der Erzähler reumütig seine Fehler gesteht, verleiht dem Geschehen moralisches Gewicht – als sei die Erzählung nicht nur Kriminalfall, sondern Beichte. Der Kern der Geschichte liegt in der Figur der Köchin Priscilla Thurlby: unterschätzt, aber handelnd, verflochten mit dem Ermittler nicht nur in beruflicher, sondern in affektiver Hinsicht.
Der Polizist idealisiert sie, lässt sich von seiner Zuneigung leiten, und opfert dem seine Pflicht. So offenbart Collins, wie enge Bindungen und Herrschaftsansprüche Wahrheit und Gerechtigkeit verzerren können. Sein Spiel mit Fährten, irreführenden Spuren (etwa dem unvollständigen Messer) und Verdächtigen legt eine erzählerische Raffinesse offen – am Ende zeigt sich, dass der vermeintlich Unverdächtige zum Täter wird.
Die große Stärke liegt im akzentuierten Umgang mit Rollen, Macht und dem Blick hinter häusliche Fassaden. Die Kürze des Textes erlaubt weniger psychologische Tiefe als in Collins’ Romandichtung, doch gerade in dieser Verdichtung liegt sein Reiz: eine moralisch aufgeladene Miniatur, die viel im Kleinen denkt und das Verhältnis von Privatheit, Geschlecht und Autorität hinterfragt.
Übersetzer: Peter Butzer, 1890
Editor: Hans-Jürgen Horn |