In In der Dämmerstunde führt Wilkie Collins seine Leser in das Zwielicht der Wahrheit – eine Welt, in der Schuld und Unschuld kaum zu unterscheiden sind. Inspiriert von einem realen Justizirrtum, zeichnet der Autor ein spannendes Kammerspiel über Täuschung, Vertrauen und die trügerische Sicherheit des Beweises.
Ein vermeintlicher Mord, zwei verurteilte Männer und ein plötzlich wieder auftauchendes Opfer – Collins entfaltet daraus eine moralisch dichte Novelle, die zwischen Gerichtssaal und Gewissen spielt. Seine Sprache bleibt klar und konzentriert, seine Figuren sind vom Zweifel gezeichnet. Die Frauengestalt Miss Colebrook, die unermüdlich an die Unschuld der Angeklagten glaubt, steht im Zentrum des sittlichen Widerstands – eine Vorläuferin der modernen Detektivin, die mit Mut und Empathie den Schleier der Vorurteile zerreißt.
Collins verzichtet auf sensationelle Effekte. Stattdessen schärft er den Blick für das, was zwischen den Zeilen geschieht: das Versagen der Institutionen, die Macht des Gerüchts, die Fragilität menschlicher Urteile. In der Dämmerstunde ist kein lauter Krimi, sondern ein leises Lehrstück über Wahrheit und Irrtum – und damit ein Meisterwerk der viktorianischen Sensationsliteratur.
Berlin, 1874
Übersetzer: Verlag von Otto Janke
Editor: Hans-Jürgen Horn |