Mit „Baas Gansendonck“ (1848) schuf Hendrik Conscience einen seiner volkstümlichsten Romane – eine humorvoll-satirische Studie über das kleinbürgerliche Flandern des 19. Jahrhunderts. Im Mittelpunkt steht der wohlhabende Wirt Baas Gansendonck, ein eitler, selbstgefälliger Mann, der vom Traum des gesellschaftlichen Aufstiegs ebenso beherrscht wird wie von der Angst, diesen nie zu erreichen. Conscience zeichnet ihn mit liebevoller Ironie, als Prototyp des flämischen Spießers, dessen Eitelkeit und Dummheit zugleich belächelt und verstanden werden.
Die Geschichte entfaltet sich im Spannungsfeld von Besitz, Ansehen und Scheinmoral. Der Autor, bekannt als „Vater der flämischen Literatur“, nutzt den Roman, um die menschlichen Schwächen in einem dörflichen Kosmos offenzulegen – mit einem realistischen, fast theatralischen Blick, der die soziale Satire mit einer tiefen Sympathie für das einfache Volk verbindet. Hinter der Komik des Titelfiguren-Dramas schwingt ein moralischer Unterton, der die Fragen nach Würde, Bildung und wahrer Menschlichkeit aufwirft.
„Baas Gansendonck“ ist nicht nur ein Stück flämischer Literaturgeschichte, sondern auch ein frühes Beispiel für das bürgerliche Sittenporträt im europäischen Realismus. Conscience gelingt es, aus der kleinen Welt eines Wirts eine universelle Komödie menschlicher Torheiten zu formen – ein Lehrstück über Stolz und Selbsttäuschung, das in seiner zeitlosen Beobachtungskraft noch heute lesenswert bleibt.
Leipzig, 1850
Illustrationen: Eduard Dujardin
Übersetzer: O.L.B. Wolf
Editor: Hans-Jürgen Horn |