„Der Mensch ist nur dort ganz Mensch, wo er denkt.“
Robert Musil (1880–1942) gehört zu jenen Autoren, deren Werk sich nicht einfach lesen, sondern erarbeiten lässt. Geboren in Klagenfurt, gestorben im Exil in Genf, war Musil Zeitzeuge eines Jahrhunderts, das zwischen Vernunft und Wahnsinn taumelte – und er hielt diesem Zwiespalt mit kühler Intelligenz und unbestechlichem Stil den Spiegel vor. Sein literarisches Schaffen umfasst Novellen, Dramen, Essays, Kritiken und zwei Romane – den frühen Bildungsroman Die Verwirrungen des Zöglings Törleß (1906) und das unvollendete Opus Der Mann ohne Eigenschaften, das zum Meilenstein der europäischen Moderne wurde.
Der vorliegende, von pynch erstellte Sammelband umfasst auf über 2400 Seiten sämtliche Werke des Autors – ein Monument deutscher Sprachkunst und ein Mosaik der geistigen Unruhe des 20. Jahrhunderts. In ihm sind alle Gattungen vertreten: frühe Prosa, Dramen, Essays, Glossen, Aphorismen, autobiographische Skizzen und die großen Romane. Inhalt des Sammelbandes: PROSA UND STÜCKE
– Die Verwirrungen des Zöglings Törleß
– Vereinigungen (Die Vollendung der Liebe, Die Versuchung der stillen Veronika)
– Das verzauberte Haus (ältere Fassung zur „Versuchung der stillen Veronika“, 1908)
– Die Versuchung der stillen Veronika (Fragment, vor 1908)
– Drei Frauen (Grigia, Die Portugiesin, Tonka)
– Die Schwärmer
– Vinzenz und die Freundin bedeutender Männer
– Vorspiel zu dem Melodrama „Der Tierkreis“ LYRIK, KLEINE PROSA UND AUTOBIOGRAPHISCHES
– Nachlaß zu Lebzeiten
– Vorstufen zum Nachlaß zu Lebzeiten
– Erzählungen (1923–1932)
– Glossen (1921–1932)
– Prosa-Fragmente aus dem Nachlass
– Aphorismen
– Motive – Überlegungen
– Stichworte zu den „Aufzeichnungen eines Schriftstellers“
– Zur Person – Zum Werk ESSAYS UND REDEN
– Essays
– Reden
– Essayistische Fragmente KRITIK
– Literatur – Theater – Kunst (1912–1930)
– Referate und Hinweise (April – Juli 1923)
– Antworten zu Umfragen (1914–1933)
– Nachträge
– Kritik-Entwürfe DER MANN OHNE EIGENSCHAFTEN
– Erstes Buch
– Zweites Buch
– Schluss des Dritten Teils und Vierter Teil (aus dem Nachlass)
– Anhang – Nachgelassene Fragmente
Diese Gesamtausgabe offenbart das ganze Spektrum Musils: den Analytiker und Moralphilosophen, den Ästheten und Forscher der inneren Beweggründe, den Denker, der zwischen Gefühl und Ratio ein zitterndes Gleichgewicht suchte. Besonders Der Mann ohne Eigenschaften – unvollendet und doch monumental – wird hier von den kleineren, oft übersehenen Texten eingerahmt, die sein Denken spiegeln: Notate, Glossen, kurze Erzählungen, Fragmente, in denen sich die Vision des großen Romans bereits andeutet.
Musils Sprache ist kühl und präzise, aber in ihr glimmt ein inneres Feuer. Seine Figuren sind Suchende, Skeptiker, Analytiker des eigenen Ichs – „Menschen ohne Eigenschaften“, deren Innerlichkeit von der Moderne zersetzt wird. In Essays wie Der deutsche Mensch als Symptom oder in seinen Theaterkritiken zeigt sich ein hellwacher Geist, der sich weigert, einfache Antworten zu akzeptieren.
Der vorliegende Band ist keine leichte Lektüre – er ist ein intellektuelles Laboratorium. Man liest Musil nicht, um Geschichten zu erfahren, sondern um zu verstehen, wie Denken zur Kunst werden kann. „Der Mensch ist nur dort ganz Mensch, wo er spielt,“ könnte man mit Schiller sagen – Musil aber würde hinzufügen: und wo er denkt.
Für Liebhaber deutscher Literatur, Philosophie und Sprachkunst ist diese Edition ein unverzichtbares Werk. Sie bündelt den literarischen Kosmos eines Autors, der mit kühlem Geist und ironischer Präzision das Unbegreifliche der Moderne sichtbar machte. |