In „Es gibt ein Glück“ entfaltet Hedwig Courths-Mahler eine klassische Liebesdramaturgie, in der moralischer Ernst und sentimentale Harmonie sich zu einem versöhnlichen Finale fügen. Im Zentrum der Erzählung steht Rosemarie von Waldeck, deren Eltern durch einen tragischen Autounfall ihr Leben verloren haben. Als minderjährige Erbin ihres großbäuerlichen Besitzes gerät sie in die Obhut ihrer verwitweten Tante Herta von Ribnitz – doch hinter familiöser Fürsorge lauert ein finsteres Intrigenspiel. Tante Herta setzt alles daran, Rosemarie an einer Heirat zu hindern, um Besitz und Einfluss für sich und ihren Sohn Heinz zu sichern. Zwischen heimlicher Liebe, Erbschaftsstreit und moralischem Zwiespalt entspinnt Courths-Mahler einen erzählerischen Wettlauf: Wird die junge Protagonistin ihr Glück finden — oder wird sie in den Netzen familiärer Macht versinken?
Der Roman, erstmals 1924 erschienen, folgt vielen Gestaltungsprinzipien, die das Gesamtwerk Courths-Mahlers charakterisieren: treue Herzen, standesgemäße Konflikte, der Kampf um Ansehen und Liebe. Die Figurenzeichnung bleibt dabei eher archetypisch: Rosemarie als unschuldige, leidende Heldin, Tante Herta als intrigante Gegenspielerin. Doch gerade in dieser Schlichtheit liegt ein ästhetischer Reiz – ihre klare Dichotomie von Gut und Böse spricht direkt das Bedürfnis vieler Leser:innen nach moralischer Klarheit an.
Neben literarischem Werteideal kann der Text – aus heutiger Sicht – auch kritisch gelesen werden: Geschlechterrollen und Klassenhierarchien bleiben konventionell, Konflikte werden oft auf innere Seelenruhe und Opferbereitschaft gelenkt. Dennoch enthält „Es gibt ein Glück“ subtile Zwischentöne: Die Frage nach Eigentum, Loyalität und Selbstbestimmung durchzieht das Geflecht der Handlung und verleiht ihm eine Spannung über das pure Liebesmotiv hinaus.
Für Leser:innen, die sich in die sentimentale Welt früher Popularliteratur entführen lassen wollen, bietet dieser Roman eine stimmige und emotional aufgeladene Lektüre — ein Musterbeispiel für den „Schulmädchenroman“ mit Herz und Moral, das bis heute seine spezifische Leserschaft findet.
Leipzig, 1924
Editor: Hans-Jürgen Horn |