Mary Shelleys „Frankenstein oder Der moderne Prometheus“ ist weit mehr als eine Gruselgeschichte. Es ist ein zutiefst philosophischer Roman über den Drang des Menschen, Schöpfer zu sein – und über das Scheitern, wenn dieser Drang nicht mit Verantwortung einhergeht. Victor Frankenstein, der junge Wissenschaftler, will Leben erschaffen, will das göttliche Prinzip begreifen und beherrschen. Doch sein Werk, das namenlose Wesen, wird zum Spiegel seiner eigenen Hybris.
Shelley schuf mit kaum zwanzig Jahren ein Werk, das moderne Fragen vorwegnimmt: künstliche Intelligenz, Biotechnologie, moralische Grenzen der Forschung. Die Kreatur ist kein Monster – sie ist Kind der Vernachlässigung, Opfer der Angst und Einsamkeit. Sie sucht Liebe, findet aber nur Ablehnung. So wird sie zur Rachegestalt – ein tragischer Held in einer Welt, die das Abweichende nicht duldet.
Der Roman ist zugleich ein Meisterwerk der romantischen Schauerliteratur und ein früher Vorbote der Science-Fiction. Zwischen Gletscherlandschaften, Laboren und inneren Abgründen entfaltet Shelley ein Drama von Schöpfung und Schuld, das bis heute Gültigkeit besitzt. Frankenstein mahnt: Wer Leben schafft, ohne Mitgefühl, gebiert Unheil. |